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erstellt am:
20.11.2025
Westerstede – Der Bau der Bundesautobahn A20 im ersten Bauabschnitt zwischen Westerstede und Jaderberg wird ein Infrastrukturvorhaben von erheblicher Bedeutung für die Region Nordwestniedersachsen. Mit dem bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss aus dem August 2025 rückt die Realisierung des etwa 13 Kilometer langen Streckenabschnitts näher. Die Sicherung der Flächen für dieses Großprojekt wurde vom Amt für regionale Landesentwicklung (ArL Weser-Ems) vorbereitet. Das dafür genutzte Instrument der Unternehmensflurbereinigung hat Beeinträchtigungen der gewachsenen Strukturen der ländlichen Räume zum größten Teil verhindert. Ein besonderer Erfolg der Maßnahmen ist, dass der Flächenbedarf für die etwa 160 Hektar der Autobahntrasse vollständig über freiwillige Regelungen im Einvernehmen mit den Landbesitzern gedeckt werden konnte. Gleiches gilt für die Sicherung der Ausgleichsflächen und die teilweise nötige Neuanlage von Entwässerungsgräben und Wirtschafstwegen. Dies unterstreicht die Akzeptanz und Effektivität des Flurbereinigungsverfahrens bei allen Beteiligten. Insgesamt wurden 2150 Hektar Fläche neu geordnet.
Meilenstein: Besitzeinweisung im November 2025
Ein entscheidender Meilenstein ist nun erreicht: Die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer der Flurbereinigungsgebiete A20-Garnholt und A20-Lehe – Verfahren, die bereits 2015 nach dem Flurbereinigungsgesetz eingeleitet wurden – sollen am 21. November 2025 in ihre neu zugeteilten Flächen eingewiesen werden. Ab diesem Tag gehen Besitz, Verwaltung und Nutzung der neuen Grundstücke auf die zukünftigen neuen Eigentümer über. Gleichzeitig werden der Autobahn GmbH des Bundes die Flächen zugeteilt, die sie für den Bau der Trasse und der Kompensationsmaßnahmen benötigt – rechtzeitig vor dem geplanten Baubeginn.
Flächenbedarf und strukturelle Herausforderungen
Auf rund 13 Kilometern Länge wird die Trasse zahlreiche landwirtschaftliche Flächen beanspruchen und bestehende Wege und Gewässernetze unterbrechen. Insgesamt sind etwa 400 Teilnehmer und Teilnehmerinnen betroffen. Allein im Bereich der Unternehmensflurbereinigung A20-Lehe werden etwa 1.307 Hektar Fläche berücksichtigt, mit rund 200 Grundstückseigentümern, während die Unternehmensflurbereinigung A20-Garnholt ein Gebiet von etwa 845 Hektar mit 122 Teilnehmern umfasst.
Diese massive Flächeninanspruchnahme würde bei einzelnen Landwirten, die ihr Grundeigentum unmittelbar an der Trasse haben, zu erheblichen Verlusten führen – bis hin zur Existenzgefährdung ihrer Betriebe. Ohne ein gezieltes Ordnungsverfahren hätten solche direkten Betroffenen nicht nur ihren Landverlust verkraften müssen, sondern wären auch mit unwirtschaftlichen Restflächen, Umwegen zu ihren Feldblöcken und einer Zerschneidung ihres Betriebsverbandes konfrontiert gewesen. Die entstehenden Nachteile für die sogenannte allgemeine Landeskultur – darunter Missformen von Grundstücken, Unterbrechungen des Wege- und Gewässernetzes und Fragmentierungen zusammenhängender Besitzkomplexe – hätten die Agrarstruktur der Region nachhaltig geschädigt.
Die Unternehmensflurbereinigung als Lösung
Genau hier greift das bewährte Instrument der Unternehmensflurbereinigung nach § 87 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG). Das Kernprinzip ist dabei so einfach wie wirksam: Der durch die Autobahn verursachte Landverlust wird nicht allein von den unmittelbar betroffenen Eigentümern getragen, sondern auf einen größeren Kreis von Grundstückseigentümern im Flurbereinigungsgebiet verteilt.
Die Unternehmensflurbereinigung begleitet den Prozess, damit die Landwirte trotz der Veränderungen weiterhin wirtschaftlich arbeiten können. Dabei werden die Flächen neu geordnet, zusammengelegt und ungünstige Zuschnitte vermieden. Für die Flurbereinigungsprojekte A20-Lehe und A20-Garnholt bedeutet dies konkret: Der Landabzug wird nicht auf einige wenige Betriebe konzentriert, sondern gar ganz vermieden, so dass Existenzgefährdungen nicht entstehen und es ermöglicht wird, die Strukturen der Landwirtschaft in der Region zu bewahren.
Flächenneuordnung und Infrastruktur
Über die reine Landverlustverteilung hinaus leistet die Unternehmensflurbereinigung noch weitere wichtige Dienste. Die Flurbereinigungsbehörde plant parallel zur Autobahn-Trasse ein neues Wege- und Gewässernetz, das die bei der Durchschneidung entstehenden Unterbrechungen überwindet. So entstehen wirtschaftlich tragfähige Bewirtschaftungseinheiten, die sowohl betrieblichen Anforderungen als auch ökologischen Aspekten gerecht werden. Teilweise werden neue Wirtschaftswege geschaffen, die eine bessere Erreichbarkeit der Felder ermöglichen, während Umleitungen minimiert und Durchgänge geschaffen werden. Das Netz der öffentlichen und gemeinschaftlichen Anlagen wird den neuen Gegebenheiten entsprechend neugestaltet.
Ökologische Ausgleichsflächen und Kompensation
Ein weiterer Aspekt der Sozialverträglichkeit liegt in der intelligenten Integration von landschaftspflegerischen Maßnahmen und naturschutzfachlichen Ausgleichsflächen. Diese Kompensationen, die ohnehin für den Autobahnbau erforderlich sind, werden in die Flächenneuordnung integriert, statt sie zerstückelt über die Region zu verteilen.
Landbautechnische Arbeiten auf den Ersatzflächen sind notwendig, etwa die Wiederherstellung von Entwässerungssystemen. Diese Eingriffe werden durch ökologische Ausgleichsmaßnahmen kompensiert, darunter Anpflanzungen, extensiv bewirtschaftete Flächenpools und weitere Maßnahmen, die das Landschaftsbild aufwerten und die Biodiversität fördern.
Partizipation durch gewählte Vorstände
Ein besonderes Element der Unternehmensflurbereinigung ist die Einrichtung eines gewählten Vorstands, der als Bindeglied zwischen der Flurbereinigungsbehörde, der Autobahn GmbH und den übrigen Teilnehmern fungiert. Der Vorstand führt die Geschäfte der Teilnehmergemeinschaft und wird von der Flurbereinigungsbehörde über den Fortschritt laufend unterrichtet, zu wichtigen Angelegenheiten gehört und zur Mitarbeit herangezogen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Interessen aller Beteiligten gehört und koordiniert werden.
Ein weiterer Aspekt der Sozialverträglichkeit liegt in der ausdrücklichen Beteiligung aller Grundeigentümer und der zuständigen Fachbehörden während des Verfahrens. Anders als bei einer reinen Enteignung haben die betroffenen Landwirte die Möglichkeit, ihre Interessen einzubringen, Flächentausche mitzugestalten und in den Verfahrensgebieten mitbestimmend zu wirken. Dies erhöht die Akzeptanz der Maßnahme erheblich.
Transparente Kommunikation und faire Lösungen
Die Flurbereinigungsbehörde – das Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems – legt großen Wert auf frühzeitige Abstimmung und transparente Kommunikation. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Eigentümerinnen und Eigentümern sowie die Unterstützung des gewählten Vorstands konnten trotz der unvermeidlichen Beeinträchtigungen und teilweise auftretender Konflikte faire und nachhaltige Lösungen in einer Vielzahl von Gesprächen mit den Betroffenen erzielt werden, die langfristig allen Beteiligten zugutekommen.
Ein besonderer Erfolg der Maßnahmen ist, dass der Flächenbedarf für die etwa 160 Hektar der Autobahntrasse vollständig über freiwillige Regelungen gedeckt werden konnte. Dies unterstreicht die Akzeptanz und Effektivität des Flurbereinigungsverfahrens bei allen Beteiligten.
Bilanz: 2.150 Hektar neu geordnet
Mit der erfolgreichen Neuordnung von Flächen in einer Größe von 2.150 Hektar ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Realisierung der Küstenautobahn A20 geschafft – sozialverträglich, ökologisch ausgewogen und wirtschaftlich tragfähig. Ohne dieses Verfahren hätten sich die Eingriffe in die gewachsenen Strukturen erheblich größer ausgewirkt: einzelne Betriebe wären massiv belastet, unwirtschaftliche Restflächen würden die Landschaft zerschneiden, Umwege und Netzunterbrechungen die agrarische Nutzung erschweren. Die Unternehmensflurbereinigung verdichtet alle diese potenziellen Nachteile zu einer vertretbaren Last, die solidarisch und sozial gerecht getragen wird.
Mit dem Start der Bauarbeiten wird sich zeigen, dass eine verantwortungsvolle Infrastrukturentwicklung und die Bewahrung ländlicher Strukturen kein Widerspruch sein müssen – wenn das richtige Instrument zum Einsatz kommt.
Hintergrund: Die Unternehmensflurbereinigung ist ein seit Jahrzehnten bewährtes Verfahren zur Begleitung von Großbaumaßnahmen in ländlichen Räumen. Sie verfolgt das Ziel einer eigentums-, sozial- und umweltverträglichen Umsetzung durch Verteilung von Lasten, Neuordnung von Besitzstrukturen und Schaffung einer wirtschaftlich tragfähigen Agrarlandschaft.
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